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Interdisziplinäre Forschung

Biologischen Quanteneffekten auf der Spur

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© Peter Jurik​/​stock.adobe.com
Neuberufene aus der Research Alliance untersuchen zusammen mit Forschenden der TU Dortmund und internationalen Partner*innen, wie Quanteneffekte biologische Prozesse beeinflussen.
Welche Rolle spielen quantenmechanische Prinzipien, die das Verhalten von Materie im atomaren Bereich beschreiben, in biologischen Prozessen? Mit dieser Frage beschäftigen sich zwei neue Verbundprojekte, an denen die Neuberufene aus der Research Alliance und Forschende der TU Dortmund beteiligt sind. Im Programm „NEXT – Quantum Biology“ fördert die VolkswagenStiftung die internationalen Teams und ihre Forschung zu Quanteneffekten in der Photosynthese und im magnetischen Orientierungssinn von Tieren mit insgesamt rund 4 Millionen Euro, von denen mehr als 1,5 Millionen Euro an die TU Dortmund gehen.

Schon lange vermuten Wissen­schaft­ler*innen, dass Quanteneffekte auch für die Funktion und Effizienz von biologischen Prozessen eine wichtige Rolle spielen – allerdings ließ sich dies lange Zeit nicht eindeutig nachweisen. Neue experimentelle Verfahren und moderne Computersysteme ermöglichen nun grundlegend neue Erkenntnisse in der Quantenbiologie. Im Rahmen des Programms „NEXT – Quantum Biology“ fördert die VolkswagenStiftung daher innovative Forschungsprojekte, in denen Wissen­schaft­ler*innen neue theoretische Modelle und experimentelle Techniken entwickeln, die Quanteneffekte nachweisen und ihre Mechanismen aufklären können. Für die Förderung wurden auch ein Projekt unter Leitung der TU Dortmund sowie ein Projekt mit Beteiligung von TU-Wis­sen­schaft­ler*innen ausgewählt.

Quanteneffekte in der Photosynthese

Prof. Thorben Cordes von der Fakultät für Chemie und Chemische Biologie (CCB) der TU Dortmund leitet das neue Verbundprojekt „Long-lived coherent trapping of photosynthesis energy in phytoplankton Phycobilisome“. In Zusammenarbeit mit Amelie Heuer-Jungemann, Professorin für Hybrid Bionanosystems an der Fakultät CCB an der TU Dortmund und Mitglied des Research Centers One Health Ruhr der Universitätsallianz Ruhr, sowie Prof. Erik Gauger der Heriot-Watt University und Prof. Eitan Lerner der Hebräischen Universität Jerusalem wird das Team die Rolle von quantenmechanischen Effekten bei der Energieübertragung in Photosynthesekomplexen von Cyanobakterien und Rotalgen untersuchen. In diesen Organismen regt Sonnenlicht farbige Pigmente an, die in komplexen Strukturen angeordnet sind, den sogenannten Phycobilisomen. Diese antennenartigen Strukturen kanalisieren die Energie aus dem Sonnenlicht über große Distanzen zu einem Reaktionszentrum, in dem die Lichtenergie in chemische Energie umgewandelt wird.

„Das neue Projekt entstand durch den Zufallsbefund einer Messsignatur, die wir erst als Artefakt abgestempelt haben“, sagt Prof. Cordes. Nach weiteren Untersuchungen, für die sich insbesondere Prof. Eitan Lerner einsetzte, konnte das internationale Team in ersten Experimenten nachweisen, dass die spektroskopische Signatur der Zellen nur durch quantenmechanische Konzepte erklärbar ist. Mit diesen Ergebnissen überzeugte das Projektteam erfolgreich die interdisziplinäre Fachjury der Stiftung. Um die Mechanismen hinter diesem Phänomen zu verstehen, wollen die Forschenden nun biochemische und spektroskopische Methoden kombinieren und die Energieübertragung mithilfe von quantenmechanischen Simulationen beschreiben.

An der TU Dortmund will die Forschungs­gruppe von Prof. Cordes dazu die ultraschnelle Pump-Probe-Spektroskopie so erweitern, dass sowohl in Zellen als auch in isolierten Phycobilisomen die Geschwindigkeit des Transportprozesses gemessen werden kann. Prof. Heuer-Jungemann und ihr Team werden anschließend DNA-Origami nutzen, bei dem DNA-Stränge gezielt in dreidimensionale mikroskopische Strukturen „gefaltet“ werden können, um das biologische System nachzubauen und so einen besseren Vergleich mit theoretischen Modellen zu ermöglichen. Das Verbundprojekt wird mit insgesamt fast 2 Millionen Euro gefördert, wovon die Forschungsgruppen an der TU Dortmund rund 1,1 Millionen Euro erhalten.

Magnetische Orientierung mithilfe von Quantenmechanik

Das zweite von der VolkswagenStiftung geförderte Projekt, an dem unter anderem Prof. Igor Schapiro von der Fakultät für Physik der TU Dortmund und dem UA Ruhr Research Center Chemical Science and Sustainability, beteiligt ist, soll erklären, wie Vögel und Insekten das Erdmagnetfeld zur Navigation nutzen. Die Idee ist, dass diesem Mechanismus ein Quanteneffekt zugrunde liegt, der in einem Protein namens Opsin in den Augen der Tiere auftritt. Wird dieses lichtempfindliche Pigment durch UV-Licht angeregt, kann es in einen sogenannten Triplett-Zustand übergehen, der empfindlich auf Magnetfelder reagiert. In diesem Zustand kann das Erdmagnetfeld einen quantenmechanischen Effekt erzeugen, der gespeichert wird. Wenn das Protein in den Ausgangszustand zurückkehrt, kann diese Information chemische Prozesse im Auge beeinflussen. Diese lösen wiederum neuronale Signale aus, die den Tieren eine magnetische Orientierung ermöglichen könnten.

Zur experimentellen Überprüfung setzt das internationale Forschungsteam eine Kombination aus Theorie und Experiment ein: Die Arbeitsgruppe von Prof. Schapiro wird dabei Multiskalensimulationen verwenden, um den Mechanismus zu verstehen. Die Vorhersagen werden experimentell durch ultraschnelle Spektroskopie validiert.

An dem Projekt unter der Leitung der Universität Hamburg sind neben der TU Dortmund auch die Röntgenlaser-Forschungseinrichtung European XFEL sowie die Universität Haifa und die Hebräische Universität Jerusalem beteiligt. Von der Gesamtfördersumme von knapp 2 Millionen Euro gehen rund 413.600 Euro an die TU Dortmund.