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09. August 2021

MERCUR fördert Verbund NeuroMind

Wozu haben wir ein Gedächtnis? Aktuellen Forschungen zufolge nicht nur dafür, um in Erinnerungen an Vergangenes zu schwelgen.
Unser Gehirn speichert Erlebtes ab, um daraus Vorhersagen für die Zukunft ableiten zu können. Sollten diese nicht mit der Realität übereinstimmen, es also zu einem Vorhersagefehler gekommen sein, werden nicht nur neue Erwartungen erzeugt, sondern auch die Erinnerungen modifiziert. Diese neue Sicht auf das Gedächtnis wirft viele Forschungsfragen auf, denen sich ein Forschungskonsortium der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Universität Duisburg Essen (UDE) ab Januar 2022 fünf Jahre lang widmen wird. Es wird vom Mercator Research Center Ruhr (MERCUR) mit rund zwei Millionen Euro gefördert.


Die große Bedeutung unserer Erwartung
Menschen können sich unter Umständen an Dinge erinnern, die nie stattgefunden haben, oder meinen, Wörter vernommen zu haben, die sie nicht gehört haben. Unsere Erinnerungen sind im Nachhinein veränderbar, weil das Gedächtnis kein Archiv der Vergangenheit ist, sondern ein Werkzeug zur Prädiktion der Zukunft. Jede unerwartete Erfahrung erzeugt einen neuralen Prädiktionsfehler, der die alte Gedächtnisspur verändert und dadurch Erwartungen erzeugt, die die Realität besser abbilden. Gedächtnis verändert sich somit ständig, um immer bessere Vorhersagen für zukünftige kognitive Herausforderungen zu generieren.

„Diese hochaktuelle Sicht auf Gedächtnis und Kognition zieht auf einer breiten Forschungsfront neue Fragen und Erkenntnisse nach sich und ermöglicht eine Vielzahl von neuen translationalen Entwicklungen“, sagt Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün, Leiter der Arbeitseinheit Biopsychologie an der Fakultät für Psychologie der RUB und Sprecher des geförderten Verbunds NeuroMind.



© Katja Marquard, RUB

Der Verbund greift diese Erkenntnisse auf und bündelt sie zu einem gemeinsamen Forschungsprogramm, das von molekularen, zellulären und computationalen Neurowissenschaft sowie Kognitions- und Biopsychologie über die translationalen und klinischen Neurowissenschaften bis zur Philosophie des Geistes reicht. Neben Prof. Güntürkün bringen sich ganz wesentlich UDE-Professorin Dr. Ulrike Bingel (Medizinische Fakultät, Neurologie) sowie UDE-Professor Dr. Matthias Brand (Allgemeine Psychologie: Kognition) mit ihren Arbeitsgruppen ein.

Erwartungen, sagen beide, spielen nicht nur in unserem Alltag eine große Rolle, sondern auch im klinischen Kontext. „Geht jemand davon aus, dass eine medizinische Behandlung zum Erfolg führen wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel größer, dass sie es auch tut. Ganz anders, wenn die Erwartung negativ ist“, betont Prof. Bingel. Sie leitet an der UDE einen von der DFG geförderten TRR/Sonderforschungsbereich zum Thema „Treatment Expectation“.

„Die Veränderungen von Erwartungen sind auch bei psychischen Störungen ein wichtiger Faktor“, sagt Prof. Brand. Er leitet eine DFG-Forschungsgruppe, in der Online-Verhaltenssüchte untersucht werden. „Deswegen wollen wir durch den Einsatz moderner Methoden die neurobiologischen Grundlagen von Erwartungsveränderungen und deren Wechselwirkungen mit physiologischen Vorgängen, wie z.B. Stressreaktionen, besser verstehen“.

Internationale Partner
Das NeuroMind-Konsortium basiert auf einer großen Anzahl Drittmittel-geförderter interdisziplinärer Forschungsverbünde, die sich über RUB und UDE erstrecken. 56 Forschende sind beteiligt, dazu kommen internationale Partner aus den USA, den Niederlanden und Australien.